WORTE WIRKEN: Ist die Feige vegetarisch?
Ist die Feige vegetarisch?
Nein, ist sie nicht.
Eine mit Pollen beladene Feigenwespe, dringt in die Blüte ein, befruchtet diese und kann nicht mehr heraus.
In jeder Feige steckt also eine Wespe, die im Laufe von ungefähr zwei Wochen durch das Enzym Ficin verstoffwechselt wird. Guten Appetit.
Gerade sind sie reif. Hier an meinen Platz im Tessin habe ich außer Kakhis und Kiwis auch einen Feigenbaum und die Feige gibt vielfach Anlass zum Nachdenken.
Denn außer botanischen Besonderheiten hat sie auch eine große mythologische Bedeutung.
Wir wissen, dass Adam und Eva das Feigenblatt zum Verstecken ihrer Nacktheit getragen haben, welche plötzlich mit Scham besetzt war.
Feigenblatt dient bis heute als Synonym für „Vorwand“, also etwas Schambehaftetes zu bedecken.
Nicht umsonst war es ausgerechnet die Feige, die im Paradies eine Rolle spielte, denn sie ist älter als Gott der Herr.
Die große Göttin Ishtar erschien auch in Gestalt des göttlichen Feigenbaums Xikum, der „Urmutter im Mittelpunkt der Erde“ (Esther Harding).
Ebenso ist die Feige ein heiliges Attribut der Venus. Die Frucht, oder zuweilen auch das Feigenblatt symbolisiert die Yoni, also die weiblichen Genitalien.
Wie alle ursprünglich heiligen Symbole, wurde auch die Feige später mit schmutziger Sexualität gleichgesetzt.
Das ordinäre Wort ficken kommt von Feige (ficus), oder im englischen Fuck-you.
Die so genannte „Feigenhand“ (Bild) wird oft sexuell abschätzig wie der ausgestreckte Mittelfinger (fuck you) benutzt.
Andererseits ist die mano in fica für die Hindus eine heilige Mudra. (Mudras sind Handgesten zur Meditation).
Dies ist tantrischen Ursprungs und deutet auf die Heiligkeit der Sexualität hin.
Die gewaltsame Abtrennung der Erotik von der Religion führte in ihre Neurotisierung und Entmenschlichung. Sie entfremdet bis heute den Menschen von seinen Ursprüngen, schwächt ihn und beraubt ihn seiner tiefsten Kräfte.