Über mich

„Was Du ererbt hast von den Vätern, erwirb es um es zu besitzen“ (Goethe) …
Bäuerlich sind meine Wurzeln. Bauern und Bäuerinnen waren alle meine Ahnen. Ich trage es in mir, das Bauern-Dasein, die Erinnerung an den Duft der frühlingshaften Erde, den Jubel über die herrliche Erdbeerzeit, die Wärme der Sonne und die Freude über die Fülle der Feldfrüchte, den Schweißgeruch der Arbeit, den Dunst des Herbstes und die Eile, alles einzuholen vor dem ersten Frost.
Ich kenne den Schock des Frühsommerhagels, der die wohlbestellten Felder zerstört, ich rieche den Diesel des Traktors während ich mit Freundinnen, Mutter oder Schwester auf der Pflanzmaschine sitze, singend und schwatzend, ich spüre die väterlichen Sorgen wie eine unsichtbare Last auf mir, ob der Hof die große Familie ernähren kann und ich erinnere mich an den Genuss meiner Vitalität beim Aufladen von Salatkisten.

Bäuerlich sind meine Wurzeln:
Das Erdverbundene ist mein Erbe aber auch die verborgene Sehnsucht nach Flügeln wurde mir mitgegeben. Was beflügelt mich? Und wie kann ich wegfliegen mit Stiefeln, die schwer sind von schlammiger Erde?
Hart lastet dagegen das Erbe des christlichen Evangeliums auf mir:
Die Frohe Botschaft, die es nie vermochte, mich froh zu machen. Oder war es doch meine Schuld? Ich habe nicht richtig geglaubt und konnte mich deshalb nicht freuen, dass Jesus für mich gestorben war.
Nie konnte ich es ihm von Herzen danken, nie sein Opfer freudig annehmen. Diese Schuld drückte mich ebenso nachhaltig wie die Bankschulden meines Vaters.
Kalt ist dieses Erbe, eisiger als meine halb erfrorenen Füße beim Schneiden vom Ackersalat, der unter der schneebedeckten Folie wuchs. Scham und Schuld lähmen die Knochen, vergiften die Seele, spalten das Herz, versteifen den Leib, zerstören den Eros und zerschneiden die Weiblichkeit in hui oder pfui.
Aber die reichhaltige Nachlass-Truhe hält auch Schätze bereit.
Meine Mutter schenkte mir ihr offenes Ohr für meine frechen Fragen, sie schenkte mir ihre Bereitschaft, sich verunsichern zu lassen in ihrem angestammten Glauben, sie schenkte mir das Bedürfnis, den Dingen auf den Grund zu gehen und die Erlaubnis des kritischen Denkens.
Mein Vater schenkte mir die Fähigkeit, in der Tiefe zu fühlen und gab mir sein bissiges Misstrauen gegen alle Ideologien der Welt mit auf den Weg.
Er schenkte mir den unbezahlbaren Wert seiner Integrität und beide Ahnenfamilien machten mir das in Deutschland überaus seltene und doch so kostbare Geschenk, keine Nazis gewesen zu sein.
Aus religiösen Gründen waren beide Großelternpaare gegen Hitler. Hierin und in der tiefen Menschlichkeit meiner bäuerlichen Stammfamilie beginnt für mich die Aussöhnung mit der christlichen Religion.

Ein kleiner Teil meiner bäuerlichen Ursprungsfamilie
Mit dieser gemischten Hinterlassenschaft ging ich hinaus in die Fremde und begann mit der schmerzhaften Suche nach mir selbst. Im kirchlichen Studium von Diakonie und Religionspädagogik suchte ich nach seriösen Antworten des Glaubens.
Was ich wirklich suchte, wusste ich nicht. Auch in jahrelangen Reisen um die Erdkugel suchte ich, aber da ich noch immer nicht genau wusste wonach, ging ich wieder heim.
Die feministische Theologie zog mich zeitweilig in ihren Bann aber noch immer blieb eine Leere zurück, die ich nicht zu benennen vermochte.
Zwei kleine Bücher teilten dann mein Leben in vorher und nachher.
„Das Schwarzmond-Tabu“ von Jutta Voss …
brachte die Wende. Über die kulturelle Bedeutung des weiblichen Zyklus hatte Frau Voss geforscht und mit jeder Seite, die ich las, atemlos mit großen Augen und offenem Mund, fiel ein weiterer Schleier von meinen Augen.
Mit jeder Seite wurde der Blick klarer und alles purzelte endlich wie von selbst an seinen richtigen Ort.
Es war ein Nachhause-Kommen. Endlich. Frauen haben Wurzeln in der Religionsgeschichte und es sind tiefe und sehr alte Wurzeln.
Ihr komplizierter Körper mit seinen schambesetzten Zyklen haben sakrale Würde, die Sexualität eine spirituelle Bedeutung, Mann und Frau sind gleichwertige und zusammengehörige Pole im Spiel der Schöpfung.
Die Schlange ist um einige zehntausend Jahre älter als Gott der Herr, welcher versuchte, sie aus dem Paradies zu vertreiben. Lächerlich.
Nicht nur die Frau, auch der Mann ist in seiner Männlichkeit durch Ritus und Religion gewürdigt innerhalb eines Weltbilds, das der Natur abgeschaut ist und nicht auf Machterhalt und Unterdrückung zielt.
Zwanzig Jahre lang habe ich alles gelesen, was es dazu zu lesen gab und das ist erstaunlich viel. Warum entdeckte ich das erst jetzt?
Das andere lebenswendende Buch war:
„Eros und Religion“ von Walter Schubart.
Sein Geist überschwebte eines der dunkelsten Zeitalter Europas.
Er legte mit einem menschlichen und philosophischen Tiefgang, der seinesgleichen noch immer sucht, im Jahr 1942 den Finger auf die klaffende Wunde, die unnatürliche Spaltung zwischen den stärksten Lebensmächten des Menschen: Religion und Eros.
Weil er mir so viel bedeutet, zitiere ich den ersten Satz seines Buches:
„Das Religiöse und das Geschlechtliche sind die beiden stärksten Lebensmächte. Wer sie für ursprüngliche Widersacher hält, lehrt die ewige Zwiespältigkeit der Seele. Wer sie zu unversöhnlichen Feinden macht, zerreißt das menschliche Herz. Und es ist zerrissen worden! Wer über Religion und Erotik nachsinnt, muss den Finger an eine der schmerzlichsten Wunden legen, die in der Tiefe des Menschen blutet.“
Walter Schubert 1942
Schließlich konnte ich das Erbe meiner Ahnen doch noch erwerben, also für mich nutzen, indem ich sortieren lernte: wegwerfen, was mir geschadet hat und behalten, was mein Leben stärkt.
Durch die bäuerliche Herkunft ist mir die Verwurzelung in Natur und Erde selbstverständlich mitgegeben. Die Wurzeln als Frau, als sexuelles und zugleich spirituelles Wesen hingegen waren mir abgeschnitten worden durch die ein ideologisches Christentum.
Als ich endlich in der Lage war, meine natürlichen verschütteten Quellen freizulegen, änderte sich alles für mich. Die gut bezahlte und sichere Arbeitsstelle in der Diakonie zerbröselte in ein langweiliges Aschehäuflein, ebenso wie meine erste Ehe.
Ein Herantasten war es zunächst – an meine vollständiger gewordene Weiblichkeit, an meine Sinnlichkeit und eine tiefere Sexualität, an einen authentischen spirituellen Weg ohne Ideologie, an einen neuen Partner und nicht zuletzt an einen neuen Beruf, der all das vereinen sollte, was mich ausmachte.
So fand mich die Tantramassage, der ich 20 Jahre meines Berufslebens gewidmet habe mit den beiden Dakini-Instituten in Stuttgart und in Zürich.
Gleich zwei rote Fäden ziehen sich durch mein Leben:
Der eine ist das Mitgefühl mit den Menschen, die ich begleitet habe und noch immer begleite. Der andere ist der geistige und spirituelle Raum, den ich stetig erweitert habe und noch immer erweitere. Diese beiden ganz unterschiedlichen Spuren sind auch mein Antrieb als Autorin.
Frei nach Stefan Zweig „im einfachsten Leben das Shakespear’sche Drama“ herauszufiltern, lockt es mich, Geschichten über Menschen zu schreiben.
Über ihr Leben und ihr Sterben, ihre Hoffnungen und Sorgen, ihre Abstürze und ihr Suchen, über ihr Scheitern, ihre kurzen Siege und immer wieder über ihre allzu oft verborgene Liebe zum Leben und zu ihren Mitmenschen.
Ob Erzählungen oder Romane:
es sind die einfachen Menschen, die mich interessieren und es sind auch die einfachen Menschen, die ich damit berühren will.
Zu berühren und zu inspirieren, das sind meine treibenden Kräfte.
