WORTE WIRKEN: Heilige Kühe und letzte Wahrheiten

Heilig

Heilig-heilig, unantastbar

Das Wort sakrosankt kommt aus dem Lateinischen:

sacer = heilig,
sanctus = heilig.

Es erklärt etwas für doppelt heilig, für unantastbar, unveränderlich, nicht verhandelbar.

In der Zeit der römischen Republik galt die körperliche Unantastbarkeit einer Person als sacrosanctum.

Nach der Christianisierung beschrieb es die Unanzweifelbarkeit christlicher Lehren.

Wir leben in einer Zeit, die durch Relativismus geprägt ist.

Wir meinen, heute sei nichts mehr heilig-heilig. Anything Goes. Alles ist möglich, auch unabhängig von natürlichen Gegebenheiten.

Haben wir nicht trotzdem, oder gerade deshalb tiefe Zerwürfnisse in unserer Gesellschaft?

Gibt es gar kein sacrosnactum mehr?

Weit gefehlt.

Jeder hat sein eigenes sacrosanctum, seine eigene letzte Wahrheit. Das ist die Brille, von der aus jemand die Welt wahrnimmt.

Ist das nicht der Grund für die allseits beklagte gesellschaftliche Spaltung?

Es könnte dienlich sein, sich sein eigenes Heilig-Heilig bewusst zu machen.

Was ist es, worüber man nicht diskutieren will?

Worüber will man nicht belehrt werden?

Moderne Theologen sehen die Bibel nach wie vor als sakrosankt. Sie suchen nach neuen Bedeutungen in den alten Lehren und finden sie auch.

Andere sehen die Wissenschaft als sakrosankt und hinterfragen gängige wissenschaftliche Theorien nicht, auf die man sich geeinigt hat.

Viele sehen es als sakrosankte Wahrheit, dass unsere demokratisch gewählten Volksvertreter vielleicht Fehler machen, aber doch letztlich für das Volk handeln.

Für den wissenschaftlichen Atheismus ist die Nichtexistenz einer Göttlichkeit sakrosankt.

Sich der eigenen Brille bewusst zu werden, die nicht verhandelbar ist, kann hilfreich sein, wieder ins Gespräch zu kommen.

Man könnte dem Gegenüber signalisieren: darüber will ich nicht belehrt werden, da ist meine Grenze.

Im Gegenzug könnte man dem anderen ein eigenes Sakrosankt zugestehen.

Auch ich habe ein Heilig-Heilig, eine letzte Wahrheit, die für mich unveräußerlich ist:

Ich halte es mit Schiller.

Sind wir nicht von der Existenz auf diese Erde gestellt worden als freie göttliche Wesen?

Wir sind niemandem untertan.

Die Freiheit unseres Geistes, unserer Seele und unseres Körpers ist für mich sakrosankt, heilig-heilig.

Naturrechte, die Schiller seinen Wilhelm Tell wieder vom Himmel herunterholen lässt:

„... und holt herunter seine ew’gen Rechte,

die droben hangen unveräußerlich

und unzerbrechlich wie die Sterne…“

Und was ist Ihr Heilig-Heilig?

Schreiben Sie es gerne in die Kommentare.

Ich wünsche Ihnen ein wunderschönes, sommerliches Wochenende

Ihre Lea Söhner

4 Kommentare

  1. Mairi Carlsson 20. Juli 2024 at 11:24 - Antwort

    Lieben Dank, Lea, für diesen Beitrag.

    Ich sehe es wie du. „Heilig-heilig“ oder unantastbar ist für mich die Freiheit von Geist, Seele und Körper. Meine Gedanken, Gefühle, meine Wahrnehmung und das Gefäß, in dem das alles steckt, gehören mir, einfach alles, was mich als Wesen ausmacht, sei es stofflich oder feinstofflich.
    Jeder sollte und darf sein eigenes „sakrosankt“ haben, solange er es anderen nicht aufzwingt oder zur alleinigen Wahrheit erklärt.

    Viel schöner wäre es doch, wenn wir uns alle gemeinsam ohne Beurteilung und Wertung über unsere Wahrheiten austauschen könnten – und wer weiß, dadurch auch unser eigenes Weltbild erweitern.

    Liebe Grüße
    Mairi

    • Lea 20. Juli 2024 at 11:41 - Antwort

      Danke, Mairi. Genau das wär’s: uns über die letzten Wahrheiten austauschen zu können, ohne es dem anderen aufzuzwingen.

  2. Karin von Dellemann 21. Juli 2024 at 12:39 - Antwort

    Die Würde des Menschen ist unantastbar, sakrosankt. Danke Lea für deine samstäglichen Geschenke, Karin

    • Lea 21. Juli 2024 at 18:10 - Antwort

      Liebe Karin, danke für den Kommentar.

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