Gottlos grüßen

grüßen

Wie kann man grüßen ohne Gottesbezug ?

Mein Mann Gerhard Cordes war früher Kommunist und beinharter Atheist. Als er vor vielen Jahren von Hamburg nach Stuttgart zog, stieß ihm das schwäbische Grüß Gott mächtig auf. Viel später hat er den schwäbischen Gruß lieben gelernt.

Dass hinter Grüß Gott ein frommer Wunsch steht, ist offensichtlich.

In der bayrischen Variante wird Gott wegen der Selbstverständlichkeit nicht mal mehr genannt: Griaß di, also Grüße dich, jedoch mit der Bedeutung, möge Gott dich grüßen, also segnen. 

In Bayern und Österreich hört man beim Weggehen häufig Pfiat di – die Kurzform von Pfiat di Gott (Behüte Dich Gott).

Die Schweizer wiederum sagen beim Ankommen Grüezi oder im Bernischen Grüessech, eine Kurzform von Gott grüße Euch. In Bern benutzt man noch grundsätzlich den Pluralis Majestatis.

Wie kann man aber gottlos grüßen?

Weit verbreitet ist das Guten Tag. Im alpinen Sprachraum, wo ich wohne, klingt das allerdings wie ein Befehl, vor allem wenn es zu einem zackigen Tach! verkürzt wird.

Beim Abschied kann man in Süddeutschland, Südtirol und Österreich leise Servus sagen. Das geht auch zur Begrüßung. Es kommt aus dem Lateinischen, bedeutet Knecht und besagt so viel wie zu Diensten.

Dann gibt es das berühmte Moin, das seit gut 200 Jahren im Norden verwendet wird. Dessen Ursprung ist nicht klar. Klar ist nur, dass es mit Morgen nichts zu tun hat.

Wer aber denkt, mit dem Wörtchen Tschüß gottlos grüßen zu können, irrt.

Wohl kaum jemand weiß, dass Gott sich auch im Tschüss versteckt. Das Wort wurzelt im französischen Adieu (Gottbefohlen). Über sprachliche Umwege wurde daraus adjuus und atschüs.

Diesen Gruß brachten die Hugenotten nach Deutschland, daraus entwickelte sich Tschüss, in Westdeutschland die Variante Tschö.

Noch als ich Anfang der 2000er Jahre in die Schweiz kam, wäre man zu Eis erstarrt, wenn ich mich mit tschüss verabschiedet hätte. Heute schallt es einem selbst von Schweizern entgegen.

Adieu ist dagegen fast ausgestorben; es war bis zum Ersten Weltkrieg im gesamten deutschen Sprachraum noch sehr geläufig, wurde aber infolge antifranzösischer Propaganda aus dem Sprachgebrauch hinweggefegt.

Immerhin: Da, wo ich herkomme, aus dem Schwabenland, hat sich daraus Ade entwickelt und bis heute gehalten.

Das Wörtchen Ade wird mich immer an meine Großmutter Marie erinnern. In der Nacht, in der sie starb, hat man uns Kinder geweckt und nach oben in ihr Schlafzimmer getragen.

Dort durften wir uns von ihr verabschieden. Wir täschelten ihre aufgeschwemmte Hand und sagten „Ade Oma.“ Zum Sprechen hatte sie keine Kraft mehr, aber aus ihrem Blick sprach nichts als Güte.

Sie starb gottbefohlen, wie sie gelebt hat. Ihre Geschichte findet sich in meinem Buch „Die Vögel singen weiter.“

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5 Kommentare

  1. Dorothea 23. März 2024 at 10:20 - Antwort

    Guten Morgen Lea Söhner!
    Woche für Woche lese ich Ihren Rundbrief und finde ihn sehr bereichernd.
    Diese Woche hat er mich besonders berührt.
    Auch ich lebe im Schwabenland und benutze bis Heute zum Gruß „ Grüß Gott“ und „Ade“ und das sehr gerne und so selbstverständlich, auch wenn ich die anderen Grußformen schon seit Kindheitstagen kenne, wuchs ich doch an der Grenze zu Bayern auf und in der Kindheit konnten wir so selbstverständlich das Schweizer sowie das Österreichische Fernsehen anschauen.
    Besonders ergriffen hat mich die Verabschiedung der Enkelkinder von der Oma. Ich kenne diese so tiefen und zutiefst liebevollen Abschieds-Stunden und -Minuten bei der Oma auch und zehre Jahrzehnte später noch davon.
    Herzliche Grüße
    Dorothea

    • Lea 23. März 2024 at 13:39 - Antwort

      Herzlichen Dank für Ihren Kommentar, Dorothea!

  2. Barbara Bianchi 23. März 2024 at 10:46 - Antwort

    Herzlichen Dank liebe Lea!
    ich habe deine Rundbriefe erst kürzlich entdeckt .
    Und bin sehr berührt von deinen Worten. Dass im Grüss Gott und all seinen abgewandelten Formen Gott sich selber grüsst hat mich schon immer fasziniert. Das Göttliche in mir grüsst das Göttliche in Dir! ( das Majestätische im Berndeutsch gefällt mir besonders! )
    Meine Mutter hat mir immer ein Bhüetdi auf den Weg gegeben und ich fühlte mich als Kind intuitiv beschützt und gestärkt. Wie schön das letzte Adieu an deine Grossmutter à dieu…zu Gott wo sie in besten Händen ruht!

    • Lea Söhner 23. März 2024 at 13:46 - Antwort

      Liebe Barbara, ganz herzlichen Dank für den Kommentar.
      Liebe Grüße von Lea

  3. Andreas Sperber 23. März 2024 at 18:10 - Antwort

    Liebe Lea,
    ich als Schwabe finde es nach Deinen Recherchen sehr schön, dass das „Ade“ auch einen göttlichen Bezug hat.
    Es gibt aber noch eine typisch schwäbische Verabschiedung. Aus dem Wunsch: „Mach’s gut“ wird im schwäbischen ein „Schaffs gut!“
    Liebe Grüße von Andreas

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