WORTE WIRKEN: Wer hat an unserer Sprache geschraubt?

Hochmut, Stolz

Hochmut, Stolz und Propaganda

Hochmut bedeutete früher, hohen Mutes zu sein.

Im Mittelhochdeutsch war Hochmut noch mit Freude verbunden:

namentlich der freudig gehobene mut, freude: hochmût, ein überschwenkliche fröud,

Noch Martin Luther schreibt:

nu sehet, welch ein reicher, hochmütiger trost euch daraus erwechst.

Hochmütig war auch kühn, tapfer, hart.

Später kam die heutige Bedeutung von Hochmut im Sinne von dünkelhaft, arrogant dazu. Da wurde allerdings von falschem Hochmut gesprochen. (z.B. Luther)

Eine Zeitlang gab es wohl zwei Bedeutungen nebeneinander. Heute ist nur der negative, entmutigende Sinn übriggeblieben.

Es kommt noch schlimmer: Mit dem Spruch „Hochmut kommt vor dem Fall“ bläuen wir uns sogar Angst ein, hohen Mutes zu sein, uns zu freuen oder kühn und tapfer zu sein.

Ich frage mich nur, warum und wer hat das Ding verdreht? Wer wollte nicht, dass wir Hohen Mutes sind?

Offensichtlich schraubt man nicht erst heute an unserer Sprache herum. 

Auch Stolz ist ein Wort, das (noch) in zwei Richtungen geht:

Es wird oft mit Überheblichkeit, manchmal mit Sturheit gleichgesetzt.

Stolz kann auch stattlich, ritterlich, edel, vornehm bedeuten. Man ist stolz, etwas erreicht zu haben, man ist sich seines eigenen Wertes bewusst.

Dieser innere, natürliche Stolz ist etwas wie Würde.

Holen wir uns unseren Hohen Mut zurück und behalten wir unseren Stolz, denn die Würde des Menschen ist unantastbar.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein

hochmütiges, freudiges Wochenende

Ihre Lea Söhner

PS:
Unermesslicher Einfluss auf die ganze menschliche Entwicklung eines Volkes hat die Beschaffenheit seiner Sprache.“ Gottlieb Fichte.

Wird deshalb andauernd an ihr herumgeschraubt?

PS2: meine Quelle ist das Etymologische Wörterbuch der Gebrüder Grimm

8 Kommentare

  1. Andreas Sperber 9. März 2024 at 12:59 - Antwort

    Danke Lea für Deine Worte.
    Beim Lesen Deines Textes viel mir ein Zitat ein, das zwar nicht direkt übertragbar ist, aber vielleicht eine Spur sein könnte, aus welchen Gründen sich die Bedeutung dieser Begriffe gewandelt hat:
    „Die eigentliche Schwäche eines Menschen ist nicht das was er nicht kann, sondern die Übertreibung seiner Stärken“
    Vielleicht hat sich durch solche Übertreibungen eine negative Haltung entwickelt.

    Freue mich auf Deine nächsten Newsletter,
    liebe Grüße aus dem Schwarzwald!

  2. Mairi Carlsson 9. März 2024 at 13:12 - Antwort

    Liebe Lea,
    vielen Dank für diese Worte. Sie waren wieder ein Augenöffner. Hochmut im ursprünglichen Sinn ist wahrhaft ein schönes Wort. Es ist spannend, diese sprachlichen Verdrehung durch die Geschichte zu beobachten. Vielleicht sind wir heute einfach an einem Höhepunkt angelangt, der mit Orwell „1984“ angekündigt wurde?
    Liebe Grüße
    Mairi

    • Lea Söhner 9. März 2024 at 20:26 - Antwort

      kommt mir auch manchmal so vor! Herzlichen Dank für den Kommentar!

  3. Claudia Bitter 9. März 2024 at 15:09 - Antwort

    Ja liebe Lea, ich empfinde dieses „schrauben“ an der Sprache genauso. Wahrscheinlich muss man dazu ein paar Jährchen auf dem Buckel haben, um es zu bemerken, oder Bücher aus älteren Zeitfenstern lesen. Da fällt einem der Verlust ja, die farbige Ausdrucksweise die damals noch verwendet wurde, richtig ins Auge. Leider sind wir Menschen so gelagert, dass wir uns an alles gewöhnen, wenn es uns nur oft genug eingetrichtert wird. Danke für deine tollen Rundbriefe

    • Lea Söhner 9. März 2024 at 20:26 - Antwort

      Und dir danke für deine Kommentare und dein „Mitgehen“. Das ist echt ermutigend.

  4. Karin von Dellemann 10. März 2024 at 11:52 - Antwort

    Viele Wörter verlieren teils auch durch Missbrauch jeglicher Art ihre eigentliche/frühere Bedeutung: z.B. Führer, Alter, geil, Putzfrau, Neger/Mohr, Fräulein….. und werden heute anders verstanden und angewendet. Liebe Grüße Lea, wo immer du auch gerade bist, Karin

    • Lea 10. März 2024 at 14:20 - Antwort

      ja, das stimmt! Danke für deinen Kommentar, Karin! Es wäre interessant, zu beleuchten, welche historischen Begleiterscheinungen zur Veränderung dieser Begriffe geführt haben. LG von Lea

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