Die Konfirmandin
Assoziationen zu August Sanders Bild 1911 (link s.unten)
Jetzt ist sie erwachsen. Das schöne Kleid der Mutter steht ihr gut.
Sie durfte es sogar kürzen, denn nach der jetzigen Mode
trägt man die Kleider nur noch bis zu den Knöcheln.
Dazu die Uhr an der silbernen Uhrkette von Großmutter
und die seidenen Handschuhe.
Sogar neue Stiefel aus feinem Leder hat man ihr machen lassen.
Ein stolzer Hof, dem sie entstammt. Da kann man zeigen, was man hat.
Die Schulzeit ist zu Ende. Sie wird auf dem Hof arbeiten bis zu ihrer Hochzeit.
Dann wird sie auf dem Hof ihres Mannes arbeiten. Ihr zukünftiger Bräutigam
sollte auch ein stattlicher Bauer sein. Einer mit ordentlichem Besitz.
Diesen Winter wird sie ihre Aussteuer fertig sticken, das meiste liegt
schon genäht und gebügelt in der Eichenholztruhe.
Heute, wenn alle von der Kirche zurück sind, wird es ein Festessen geben.
Lammvoressen, Schweinebraten mit Kartoffeln, gebrannte Creme,
dann Kuchen und viel Wein.
Weil sie Konfirmandin ist, wird sie erst am Abend wieder arbeiten müssen,
wenn alle gegangen sind.
Sie wird die große Schürze umbinden und mit der Mutter und der alten
Magd zusammen das Geschirr abwaschen, die Töpfe mit Sand scheuern,
die Küche putzen und die Stube sauber machen.
Zur Nacht wird sie das schöne Kleid ausziehen und unter dem
Trockendach aufhängen, damit es auslüften kann.
Sie wird im Nachtleibchen unter ihre kalte Bettdecke schlüpfen
und das Pieksen des Strohs unter dem Laken spüren.
Später wird sie das leise Knarren der Holzstiege hören,
die zu ihrer Dachkammer hinaufgeht – und das Schnaufen des Vaters.