Glückliches Land

Nach all dem Jammer und den Artikeln über Tod und Sterben, erzähle ich heute Geschichten, die man vermutlich in keinem anderen Land der Welt erleben kann, als in der Schweiz.

Rushhour im Supermarkt. Bis tief hinein in die Schluchten der Warenregale ranken sich die Schlangen.

Endlich! Fast ist es soweit, vor mir nur noch eine Dame mit Essen für zwei Großfamilien. Hinter ihren Lebensmittelbergen finden meine Habseligkeiten bereits Platz auf dem Band, als mir einfällt, dass ich meinen Geldbeutel im Auto vergessen habe. In der panischen Hoffnung, wieder rechtzeitig da zu sein, renne ich los.

Schnaufend finde ich bei der Rückkehr meine Sachen vor, fein säuberlich verpackt in einer dieser typischen Migros-Papiertüten. Die Frau, die hinter mir an der Reihe war, sagt: „ich habe schon mal für Sie bezahlt“.

Auf der Post in Zürich-Oerlikon: ich ziehe meine Wartemarke und mache es mir auf einem der Stühle bequem, als ich Bruno Ganz erblicke, auch er sein Märkli in der Hand.

Erschrocken wende ich meinen Kopf ab. Nein! Das kann nicht sein. Bruno Ganz, ganz ohne Autogrammjäger, ganz ohne Presse, ganz ohne jemanden, der ihn anspricht, ganz einfach wartend auf der Post? Ich schiele wieder hin. Doch! Das ist Bruno Ganz. Schnell wegschauen, ganz ruhig bleiben. Diskret versuche ich noch einmal, mich zu vergewissern, dass er es wirklich ist. Ja klar! Hinschauen. Wegschauen. Hinschauen.

Da wendet er mir huldvoll sein Gesicht zu und schenkt mir ein Bruno-Ganz-Lächeln, und das Lächeln sagt mir: „ja, ich bin’s. Aber schauen Sie: alle hier lassen mich in Ruhe. Sie werden mich sicher auch in Ruhe lassen“.

Eines schönen Sommerabends flaniere ich mit einem Freund in Bern an der Front, das ist ein hochfrequentierter Platz mit vielen Restaurants und kleinen Läden. Ein älterer Herr kommt uns entgegen, Ledermappe unterm Arm. Genre: der höhere Beamte hat Feierabend.

Er plaudert ein wenig mit meinem Freund, Männer eines bestimmten Alters kennen sich hier eben vom Militär. Dann geht er weiter auf den Zug. Nachhause. Niemand beachtet ihn.

Nebenbei erfahre ich, dass es sich um den Bundesrat für das Finanzdepartement handelt. Ins Deutsche übertragen: Bundesfinanzminister Schäuble.

Umgekehrt als in Deutschland, wo Politiker und Parteien wichtiger zu sein scheinen, als das Land selbst, hegen die Schweizer ein gesundes Misstrauen gegen Politiker jeglicher Couleur. Das Land gehört den Schweizern, nicht den Politikern. Vielleicht gibt es deshalb so viele Menschen, die unaufgefordert für das Einhalten der öffentlichen Ordnung sorgen.

Ich frage meine Nachbarin eines Tages, wo ich für unsere Wohnstraße einen Parkberechtigungsschein bekommen könne.
„Sie chömmet das gar nüüt übere“, sagt sie und erklärt, dass ich diesen mit meinem ausländischen Fahrzeug gar nicht bekäme. Auf meine Frage, wo ich denn dann parkieren könne, sagt sie im Ton einer Polizeipräsidentin und jetzt sogar auf hochdeutsch: „Auf keinen Fall auf öffentlichem Grund!“

Damit ist das nachbarschaftliche Gespräch beendet und ich weiß auf einmal, wer dafür gesorgt hat, dass ich immer sofort „gebüßt“ worden bin, sobald ich auch nur eine viertel Stunde auf öffentlichem Grund parkiert hatte.

2 Kommentare

  1. Lea 12. Februar 2018 at 21:28 - Antwort

    Genau so ist es….(schmunzel)

  2. Jacqueline 14. Februar 2018 at 20:55 - Antwort

    Ja wir Schweizer, sind manchmal sehr zuvorkommend, genau so wie es anders auch sein kann. Am besten man sagst auf jeden Fall immer bitte oder Entschuldigung, egal für was. Man sagt auf keinen Fall „Ich bekomme ein Brot“. Du bekommst es erst wenn du bezahlt hast. Also heisst es? „entschuldigung ich hätte gerne ein Brot“ „ein Dunkles“? „Ja bitte“ „hier bitte, ihr Brot“ Danke vielmals“ bitte gerne geschehen.

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