WORTE WIRKEN: Muttertag, Mutterwunde, Muttersprache
Dieser Witz stammt aus einem Witzebuch der siebziger Jahre, als sich die jungen Männer die Haare wachsen ließen und die jungen Frauen zerrissene Jeans trugen.
Eine derartige Unterhaltung könnte heute in echt stattfinden:
Zwei Erwachsene sitzen auf einer Parkbank.
Da sagt einer zum anderen: „Sehen Sie mal, wie dieses Mädchen herumläuft! Unmöglich!“
Die andere Person antwortet: „Das ist kein Mädchen, das ist mein Sohn!“
„Ach Entschuldigung!“, sagt da der erste wieder, „Ich wusste ja nicht, dass Sie der Vater sind!“
Da empört sich dieser: „Ich bin nicht der Vater! Ich bin die Mutter!“
Am Sonntag ist Muttertag
Im Jahr 1914 wurde dieser Tag in den USA ohne weiteren geistigen Hintergrund zum Staatsfeiertag erklärt.
Einmal im Jahr sollten die Mütter über die fehlende Anerkennung hinweggetröstet werden.
Obwohl in Deutschland die Verbreitung des Muttertags schon in den 20er Jahren stattfand, führten die Nationalsozialisten 1933 ihn als Feiertag ein.
Sowohl die Nazis, als auch die kapitalistischen USA werden ihre eigenen Gründe für die scheinheilige Überhöhung der Mutterschaft gehabt haben.
Diese ist nur die andere Seite der Medaille der heutigen Abwertung. Allen Ernstes wird negiert, dass Mutterschaft eine genuin weibliche Fähigkeit ist.
Der eigentliche Ursprung des Muttertags ist spiritueller, heidnischer Natur und schon viele tausend Jahre alt. In England ist dieser Tag bis ins 18. Jahrhundert begangen worden.
Man besuchte die Mutter, um ihren Segen zu erbitten.
Dazu wurde ein Simnel-Cake gebacken, ein Pfefferkuchenmann, ein Ebenbild oder eine Hostie, die rituell gegessen wurde.
Mut soll die Mutter aller ägyptischen Götter gewesen sein.
Mit diesem Dreiheitsname Mut soll der Name Kalis Mutteylamma verwand sein von dort soll er sprachlich so zu unserer MUTTER geworden sein. (B. Walker)
Sie ist also ziemlich alt, unser aller Mutter.
Ich selbst bin keine Mutter. Ich bereue es nicht, eher kommt manchmal ein leises Bedauern auf, diesen Aspekt des Frauseins nicht gelebt zu haben.
Dafür stamme ich aus einer kinderreichen, christlichen Großfamilie. Dort wurde Mutterschaft und Weiblichkeit in ein strenges Weltbild gepresst.
Dieses Weltbild hat Wunden geschlagen.
Ich nenne diese Mutterwunde und wer genau hinschaut, erkennt, dass fast alle Menschen eine Mutterwunde haben.
Mein Buch „Vielleicht im Himmel einmal“ ist die romanhafte Beschreibung einer Familie, in der der Vater, nicht die Mutter monumental überhöht wurde.
Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen, sonnigen Muttertag, was immer Sie daraus machen.
Herzlich
Ihre Lea Söhner
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Lie Lea, wieder einmal ein großes Dankeschön. Es ist für mich so wertvoll, wie ich durch deinen schönen Worte-Wirken-Letter die Dinge neu einordnen kann.
Mir wurde bisher immer nur gesagt, der Muttertag sei eine Erfindung der Nazis. In der alternativen Szene wird er deshalb nicht gerne gefeiert.
Jetzt verstehe ich es: es ist die große Mutter gemeint, die große Göttin. Und jede Frau ist eine Erscheinungsform von ihr. So die Mütter die sichtbare Form der Mutterschaft, der großen Gebärerin, der großen Versorgerin und der, die die universellen Regeln und Gesetze an die folgenden Generationen weitergibt. Danke!
Danke für deinen Kommentar, liebe Nhanga!
Wieviel Tiefe liegt in den Wörtern Muttertag, Muttersprache, die gehören allen und wie anders fühlt und erlebt(e) man das Wort Vaterland, das halt nur Auserwählten gehört(e). Liebe Lea, Danke für deine wöchentliche Inspiration, Karin🫶
Grazie Mille, liebe Karin!!