Das Netz des Lebens
Um die Urne hatten wir ein Netz aus Jute gespannt.
Das Netz, ein fast vergessenes Symbol, spricht auf der ganzen Welt von Leben, Tod und Wiedergeburt. Woher das kommt und warum es besonders für Gerhard, den Tantriker, der einzig mögliche Urnenschmuck war, möchte ich hier erzählen:
Die Erfindung des Webens hat das Leben der frühen Menschen revolutionär verändert. Aus Pflanzenfasern Taschen und Kleidung herzustellen, anstatt wie vorher nur aus Leder und Fell, war ein historischer Entwicklungssprung, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Deshalb galt das Weben über viele Jahrhunderte als ein „Heiliges Handwerk“
Heilig war es aber auch deshalb, weil das Gewebe – Kette und Schuss – zum Symbol wurde für das balancierte Zusammenwirken der weiblichen und männlichen Kräfte. Der Kettfaden war metaphorisch das „Ewig Weibliche“, das Gegebene, das schon ewig Vorhandene. Das Göttliche. Der Kettfaden ist fest in den Webrahmen eingespannt, die Grundlage, denn alles kommt aus dem Weiblichen.
Der „Schussfaden“ dagegen, wurde für das Männliche genommen, das dem Ganzen Muster und Form gibt. Er ist die Inspiration, der männliche Samenfunke, ohne den keine Entwicklung möglich ist.
Nur das balancierte Zusammenwirken von männlichen und weiblichen Kräften kann letztlich
Ewiges Leben garantieren, deshalb ist das Weben, der gewobene Stoff, das Netz gleichsam zu einem
der heiligsten Symbole geworden.
Als kulturelle Ausdrucksform ist das Netz nicht zu zählen. Auf der ganzen Erde gibt es Netze in altsteinzeitliche Höhlen geritzt, in neolithische Stelen
geschnitzt, man findet Netze in Form von fortlaufenden Vierecken, von Rauten, von Dreiecksnetzen,
von zusammengesetzten Schalen.
Netze als Karo-Muster trifft man etwa im Rock der kretischen Schlangengöttin, auf etruskischen Tellern und auf balinesischen Masken.
In Ägypten wurde das Netz als Himmelsnetz gesehen, in dem die Sterne hängen.
Marja Gimbutas zeigt in ihrem Buch The Language of the Goddess Figurinen mit Netzmuster in Zickzack- und Rautenform, die den Bezug zum Wasser zeigen.
Für die deutsche Sprache gibt es das Wort benetzen.
Wasser ist es auch, das in Netzen von Flussläufen die ganze Welt durchzieht und verbindet. Netz ist also eng verbunden mit Wasser, dem Wasser des Lebens.
Die Toten wurden vielerorts in gewebte Tücher gewickelt, die keinen Saum hatten, damit die „Große Weberin“ daran weiterweben konnte. Ein Zeichen für Ewiges Leben und fortdauernde Wiedergeburt.
So enthält das Bild des Netzes bereits alles, was den Menschen im Kosmos ausmacht. Es trägt in sich die Tod-Leben-Thematik, die Verbindung von Weiblichem und Männlichem, aus der alles Leben und die Schöpfung entsteht, das Wasser ohne welches kein Leben möglich ist. Das Netz symbolisiert die natürliche menschliche Empfindung, dass alles verbunden und letztlich alles in einem größeren Ganzen aufgehoben ist.
Tantra. Nichts anderes als Netz bedeutet dieses Sanskrit-Wort
Gerhard hat sich mehr als zwanzig Jahre seines Lebens mit Tantra befasst. Ohne ihn hätte es meine beiden Dakini-Institute für Tantramassagen nicht gegeben. Es war seine Inspiration, sein männlicher „Samenfunke“, wenn man so will, den ich aufgenommen habe. Unser tiefstes Anliegen war es in dieser Arbeit, ein Beitrag zur Balance von männlichen und weiblichen Kräften zu sein.
Er hat sein Leben der Unterstützung meiner Arbeit gewidmet mit seiner Geistesstärke, mit seinen Leibeskräften und mit seiner Sinnlichkeit.
So schnell so viel gelernt über diese Zusammenhänge. Vielen Dank!
Liebe Lea! Du schreibst so friedlich, so fein und auf wohltuende Weise nüchtern und weise. Ich schicke Dir mein Beileid in aller Form. Für mich ist Euer gemeinsames Webstück eine Quelle von Inspiration und Tiefe, die mein Leben und Wirken prägte. Danke!
Gute Reise, lieber Gerhard!
Von Herzen, Johanna
Liebe Lea, so schöne Worte, die beschreiben was euer gemeinsames Werk ist. Vom Herzen möchte ich euch beiden Danke sagen,denn auch mich habt ihr mit eurem sein inspiriert.an dieser Stelle möchte ich dir ich mein Mitgefühl für Gerhards Tod aussprechen. Ihr seid zwei wunderbare Wesen.
In tiefer Verbundenheit
Christne
Lea, du bist eine große Frau und meine „Vorreiterin“ und Gerhard war solch ein Schatz. Danke für alles, was du für mein Leben und die Dakinis getan hast. <3
Auch ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Bei dir habe ich gelernt und angefangen als Tantramasseurin, bei Gerhard durfte ich meine erste Massage an der Ausbildung geben und ich muss heute noch darüber schmunzeln. Er sagte natürlich nicht, dass er der Mann meiner zukünftigen Chefin ist. Nach der Massage gab er mir beim Feedback zu verstehen, was ich noch vergessen habe. Ich dachte so, komisch, wieso weiss er so genau Bescheid wie der Ablauf sein sollte? Und heute wo ich selbst Chefin bin und dir auch nachfühlen kann, wie viel es an Engagment gebraucht hat, zu den Anfangzeiten bis heute , hast du meine volle Bewunderung. Ich zieh den Hut vor dir.
Heute begegnen wir uns anders und wieder darf ich von dir lernen, nämlich zu schreiben. Ich bin dir wirklich sehr dankbar für alles.