
Dialekte sind mehr als blosse Wörter
Ich geb’s zu:
In manchen Situationen schäme ich mich für meinen schwäbischen Einschlag – auch wenn ich mir gerade einrede, das reinste Hochdeutsch zu sprechen.
Wer mit Dialekt aufwächst, lernt Hochdeutsch selten akzentfrei.
Dabei sind Dialekte meist viel älter als die Hochsprache. Sie sind uralte Zeugen unserer Geschichte.
Eine Leserin schickte mir einen Text, wonach das Schwäbische mit dem Englischen verwandt sei – Spuren aus der Völkerwanderung.
Tatsächlich:
Oinaweg – trotzdem – klingt nach anyway
Älleweil – immer – erinnert an always.
Hochdeutsch für alle
Schon Luther legte mit seiner Bibelübersetzung den Grundstein, die Aufklärung feilte weiter – und erst nach der Reichsgründung 1871 hieß es: Hochdeutsch für alle!
Heute werden Dialekte in Schulen stigmatisiert, in den Medien karikiert.
Viele Eltern verzichten bei ihren Kindern auf den eigenen Dialekt oder versuchen, gesitteter zu sprechen.
Selbst meine Mutter, eine schwäbische Bauersfrau, wollte uns „etwas Besseres“ beibringen.
Dialektwörter sind ungezähmter
Das Wort Mund etwa, gab es in meiner frühen Kindheit nicht – wir sagten Maul. Das war nicht despektierlich!
Später brachte uns die Mutter bei, Mund zu sagen.
(Übrigens sagt man im Schweizerischen bis heute Muul.)
Und als ich nach dem Tod meines Mannes zum Leichenschmaus einlud, war meine Mutter entsetzt.
Doch ist Leichenschmaus nicht so viel sprechender als Trauerkaffee?
Direkter. Körperlicher. Ungezähmter.
Mit der Einebnung der Dialekte geht mehr verloren als nur eine Sprechweise. Dialekte sind das Gedächtnis ganzer Regionen.
Unvergessliche Wörter der Woche:
Und weil Dialekte voller Schätze stecken, stelle ich Ihnen heute einige wenige davon zur Wahl:
Kladderadatsch (Berlin): Durcheinander, Kram
Mümpfeli (CH) Muffelsche (Hessen)
Bissen/Bisschen, ein Mundvoll;
henderschefir (Schwaben): hinten herum, bösartig, aber auch nur verkehrt herum
meschugge (Preußen, aus dem Jiddischen): verrückt, blöd
Muggaseggelle (Schwaben): kleinste Winzigkeit. Mückensäckchen, womit das männliche Fortpflanzungsdingsbums der Mücke gemeint ist.
Oschi (Norddeutschland): großes Teil
n’oor (Sachsen): Stimmt’s? Nicht wahr?
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Ich wünsche Ihnen „an schene Sonndich“
Ihre Lea Söhner
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Sie handeln von den einfachen Menschen, von ihren Hoffnungen und Sorgen, ihren kurzen Siegen, ihren Hoffnungen und ihrer allzu oft verborgenen Liebe
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Bäuerlich sind meine Wurzeln. Bauern und Bäuerinnen waren alle meine Ahnen. Ich trage es in mir, das Bauern-Dasein, die Erinnerung an den Duft der Erde
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