
Ein stilles Leben und der kleine Unterschied
Eine Zeitlang lebte ich in einem winzigen Kloster in Galiläa, Israel.
Anfang der achtziger Jahre konnte ich dort für Kost und Logis arbeiten.
Ein stilles, karges Leben:
Um halb fünf Uhr morgens begann der Tag in einer Kapelle, die unter der Erde verborgen lag.
Auf den Tisch kamen Ziegenkäse, Oliven, Zwiebeln – alles aus eigener Hand.
Brotmehl tauschten wir bei den palästinensischen Nachbarn ein.
Doch nicht über den griechisch-katholischen Klosteralltag will ich schreiben.
Es gab dort ein sprachliches Detail, das mir damals auffiel.
Mönchisch oder nonnenhaft – was Worte bewirken
Das Kloster bestand aus drei zölibatär lebenden Menschen:
einem Abt, einem Mönch – und einer Frau, die sich Mönchin nannte.
Nicht Nonne.
Warum eigentlich?
Spüren Sie selbst den Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen:
- „Jemand führt ein mönchisches Leben.“
- „Jemand führt ein nonnenhaftes Leben.“
Klingt mönchisch nicht nach geistiger Disziplin, nach höheren Zielen, vielleicht auch nach intellektueller Arbeit?
Nonnenhaft hingegen weckt oft Assoziationen von Verklemmung, manchmal sogar unfreiwilliger Strenge. Es ist subtil mit Sexualität konnotiert.
Mönchischem Leben wird zugestanden, dass es aus einer aktiven Entscheidung für ein geistiges Leben resultiert.
Nonnenhaftes Leben kann tendenziell als unfreiwillig, passiv oder gar repressiv betrachtet werden.
Ein einziges Wort – und schon verändert sich unser Empfinden.
Das feine Spiel der Sprache erkennen
Sprache formt unsere Wahrnehmung und prägt unsere Vorstellungen.
Auch umgekehrt. Sie spiegelt den Geist eines Gemeinwesens.
Sprache muss nicht mutwillig verändert werden.
Es genügt, sich bewusst zu machen, wie Worte wirken – und warum.
Ihr Unvergessliches Wort der Woche:
In der heutigen Schatzkiste liegen Wörter voll Spiritualität, Stille, und innerem Leben:
Einkehr – Neudeutsch: Retreat. Rückzug, um zur inneren Ruhe zu finden.
Seelengrund – Tiefster, innerster Kern der menschlichen Seele.
Erbauung – seelische Stärkung durch Wort oder Musik.
Innerlichkeit – das Bewusstsein für das eigene geistige Innenleben.
Erhabenheit – die Würde und Größe, die über das Alltägliche hinausführt und Staunen weckt.
Gottesnähe – die Empfindung von Nähe zum Göttlichen.
Weihe – das Sakrale, Feierliche, Segnende.
Welches unvergessliche Wort berührt Sie am meisten?
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Sie handeln von den einfachen Menschen, von ihren Hoffnungen und Sorgen, ihren kurzen Siegen, ihren Hoffnungen und ihrer allzu oft verborgenen Liebe
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Das ist eine sehr interessante Betrachtung über die Kraft von Sprache! Die Unterscheidung zwischen „mönchisch und „nonnenhaft finde ich besonders tiefgründig und zeigt, wie stark Wörter unsere Wahrnehmung beeinflussen. Ein sehr kluges und nachdenkliches Stück.