WORTE WIRKEN: Das Weib – eine Spurensuche

Weib

Wortgeschichte eines abwertenden Begriffs: das Weib

Bis zu meiner Abreise nach Argentinien besuche ich nun jeden Tag meine Mutter im Altenheim.

Das färbt ab.

Großspurig sah ich mich kürzlich schon als Digitale Nomadin.

Seit dem Hexenschuss überlege ich mir, ob Betreutes Wohnen nicht besser für mich wäre.

Täglich sitzen sie zusammen im Foyer, diese alten Frauen. Ihre Geschichten sind in den Falten ihrer Hände verborgen.

Alte Weiber.

Altweibersommer.

Weib.

Weib ist ein altes deutsches Wort, heute wird es meist abwertend für Frau genutzt.

Laut dem etymologischen Wörterbuch der Gebrüder Grimm leitet sich Weib von weiben oder weiban ab, was so viel bedeutet wie: bewegen oder etwas mit den Händen machen.

Es ist eine Anspielung auf die Kunst des Webens und das Schaffen im Allgemeinen.

 

Wann hat das Abwertende des Wortes Weib begonnen?

Im Althochdeutschen haben wir wīb für Ehefrau, die arbeitet. Frouwa galt für edle Frauen.

Im Mittelhochdeutschen ist es dasselbe: wîp und für die Adelige – vrouwe.

Dann plötzlich gibt es im Neuhochdeutschen einen semantischen Wechsel, Weib ist abwertend und Frau steht jetzt für Frau/Ehefrau.

Aber nicht das gesamte Wort wurde abgewertet.

Der Begriff weiblich als biologische Geschlechtszuordnung ist wertfrei.

Weiblichkeit ist bis heute ein Wort voller Stärke und Lebendigkeit.

Das Wort Fraulichkeit dagegen, umweht eher ein schwächlicher Beigeschmack.

Weiblichkeit ist kein Zeichen von Schwäche.

Das Wort hat etwas Leibliches, Wildes, Unbezähmbares.

Eine Frau, die im Vollbesitz ihrer Weiblichkeit ist, kann Angst machen.

Ihr ist ein natürlicher Stolz zu eigen.

 

Der Hexenhammer als Zeitenwende

In den mittelalterlichen Weibern lebten noch Reste ihrer vorchristlichen Macht und Stärke.

Medizinisches, magisches und handwerkliches Wissen war noch vorhanden und die Frauen besetzten noch die Pforten zur Anderswelt als Hebammen und Leichenwäscherinnen.

Der Hexenhammer hat der Weiblichkeit das Rückgrat gebrochen oder zumindest gefährlich angeknackst.

In den darauffolgenden Jahrhunderten wurde es immer weiter verbogen, bis hin zum heutigen Tag, wo die Frau gerade vollends abgeschafft wird.

 

Sprachgerechtigkeit

Frauen reiben sich auf im Kampf um Gerechtigkeit in der Sprache.

Geben uns Sternlein, Strichlein, Binnen-I und Gender-Gap unsere Kraft und Weiblichkeit zurück?

Ich habe meine Zweifel.

Wenn wir in der Semantik unsere verlorenen Wurzeln suchen, erhalten wir immer mehr Bilder von kraftvoller Weiblichkeit. Es sind Seelenbilder, weil sie in uns sind.

Die Etymologie ist ein schier unerschöpflicher Fundus für eine gerechte Sprache ohne künstliche Eingriffe.

 

Nicht so harmlos sein

Die Feiertage sind vorbei. Fröhlich sangen die Weiber im Foyer des Altenheims gerade ein langes Ulklied mit zweideutigem Text.

Ich frage in die Runde, ob eine das Gefühl hat, im Leben etwas verpasst zu haben.

„Ja“, kräht die 98jährige, fast blinde Ingeborg. „Ich war zu harmlos.“

Lachen. Kichern. Grinsen.

 

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende

Ihre Lea Söhner

2 Kommentare

  1. Andreas Sperber 11. Januar 2025 at 9:30 - Antwort

    Alles Liebe und Gute und dass Dein Rücken durchhält in Argentinien!

  2. Karin von Dellemann 11. Januar 2025 at 9:53 - Antwort

    Salve Lea,

    welch schöne Überraschung: Du bist noch Da!

    Und dann: Trauer und Wut!! lösten deine Worte aus. Auf all das, was uns Frauen/Damen seit 5000 Jahren angetan wurde. Was der Menschheit genommen wurde! Welcher Reichtum wurde zerstört, verbrannt, gebrochen und missbraucht mit dem Ergebnis, dass Kriege nie aufhören. Weder im Aussen, noch im Inneren.
    Frauen haben gelernt, ähnlich zu agieren wenn sie überleben woll(t)en. Sie sind nicht mehr Schwestern, sondern oft Konkurrentinnen.

    „Die Frau wählt“? Der Mann herr-scht? Wie herr-lich ist eine Däm-liche💥
    Was muss alles wieder in ein Lot gebracht werden. Das erleben wir nimmer.
    Oder wir machen eine Alters-WG auf, Frauen und Männer getrennt!

    Du und deine Worte werden mir fehlen Lea, ich wünsch dir gute Wege und hoffe auf ein Wiederlesen🙋🏼‍♀️✊️👍

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